Heisenberg ein Schnippchen geschlagen

Physiker der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität Hannover entwickeln neues Konzept, um die Empfindlichkeit von Gravitationswellendetektoren zu verbessern

23. Juni 2013

Laserinterferometer messen winzige Abstandsänderungen mit hoher Präzision. Doch in diesen Instrumenten auftretendes Streulicht beeinträchtigt und begrenzt die Messgenauigkeit. Forscher des Albert-Einstein-Instituts Hannover haben nun erstmals gezeigt, wie sich mittels Laserlicht mit maßgeschneiderten Quanteneigenschaften eindeutig zwischen Messsignal und Streulicht unterscheiden lässt. Das neuartige Messkonzept umgeht die Heisenbergsche Unschärferelation und kann zukünftig die Genauigkeit von Gravitationswellendetektoren wie GEO600 oder dem mit GEO eng kooperierenden amerikanischen Advanced LIGO-Projekt (aLIGO) steigern.

Geschärfter Quantenblick auf Gravitationswellen

Nun erzeugten die Physiker erstmals Laserlicht mit maßgeschneiderten Quanteneigenschaften. Damit umgehen sie sogar die Heisenbergsche Unschärferelation, die gewöhnlich die Genauigkeit von Messungen begrenzt. „Durch den Einsatz unseres neuartigen Verfahrens kann der Störeinfluss von Streulicht in Gravitationswellendetektoren zukünftig deutlich reduziert werden. Damit würde GEO600 dann noch empfindlicher nach Gravitationswellen aus dem All lauschen. Nach einem erfolgreichen Einbau kann die Technologie dem weltweiten Netz der Gravitationswellenobservatorien zur Verfügung gestellt werden“, sagt Roman Schnabel, Leiter der Arbeitsgruppe für Quanteninterferometrie und gequetschtes Licht am AEI und Wissenschaftler im Forschungsbereich „Quantensensoren“ des Exzellenzclusters QUEST.

Verschränkte Zustände

spielen die Hauptrollen im neuen Messverfahren der Hannoveraner Forscher. Nach der Heisenbergschen Unschärferelation lassen sich die quantenmechanischen Eigenschaften prinzipiell nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmen. Bei Teilchen gilt das etwa für Ort und Impuls, bei Lichtwellen für Amplitude und Phase.

Bisher verwendeten die AEI-Wissenschaftler bei GEO600 sogenanntes gequetschtes Laserlicht. Dabei verringern die Forscher die Unschärfe in der Phase oder in der Amplitude des Lichts, allerdings auf Kosten einer erhöhten Unschärfe in der anderen Messgröße. So lassen sich jeweils nur entweder die Phase oder die Amplitude sehr genau auslesen. „Für laserbasierte Präzisionsmessungen mit Hilfe einer einzigen Quanteneigenschaft des Lichts ist ein Quetschlichtlaser das Instrument unserer Wahl. Aber wir haben uns gefragt, ob auch in der anderen Messgröße verwertbare Informationen stecken“, so Schnabel.

Daher wendeten die Forscher einen weiteren Trick an. Durch die Überlagerung von zwei Quetschlichtlaserstrahlen erzeugten sie zwei neue Laserstrahlen, die quantenmechanisch miteinander verschränkt sind. Einer der Strahlen wird zur Präzisionsmessung verwendet, der andere dient als Referenzstrahl. Durch einen Vergleich zwischen Mess- und Referenzstrahl können die Forscher nun Phase und Amplitude gleichzeitig mit verringerter Unschärfe vermessen und so winzige Schwankungen in beiden Größen registrieren.

„Wir können der Heisenbergschen Unschärferelation nun erstmals ein Schnippchen schlagen, weil wir die Messgrößen relativ zu einem verschränkten Referenzsystem aufnehmen“, erklärt Sebastian Steinlechner, Erstautor der nun in Nature Photonics erschienenen Veröffentlichung. Er arbeitet als Doktorand in Schnabels Arbeitsgruppe im Rahmen des Sonderforschungsbereich/Transregio 7.

Rote Karte für Streulicht

Damit unterdrücken die Physiker den störenden Einfluss von Laserstreulicht im Detektor. Schon einzelne Laserphotonen, die auf unerwünschten Umwegen durch den Detektor laufen, können sich untrennbar mit dem Messsignal überlagern und so die Ergebnisse verfälschen. Doch das neue Verfahren erlaubt nun eine genauere und voneinander unabhängige Messung der Phasen- und Amplitudenschwankungen des Laserlichts. Durch diese Aufspaltung in zwei unabhängige Komponenten lässt sich das Streulicht schon während der Messung direkt identifizieren. Betroffene Messdaten werden von der weiteren Auswertung ausgeschlossen – und die Genauigkeit des Endergebnisses erhöht sich.

Der Gravitationswellendetektor GEO600

kann die erste praktische Anwendung für das neuartige Messkonzept der AEI-Wissenschaftler werden. Denn die erforderlichen Technologien sind in einfacherer Form bereits seit zwei Jahren im Detektor eingebaut und haben sich bewährt: Seit 2011 wurde die Messgenauigkeit des interferometrischen Detektors GEO600 durch die Verwendung gequetschten Laserlichts bereits um rund 50 Prozent gesteigert. Doch wird sich die Empfindlichkeit des Detektors nur dann weiter verbessern lassen, wenn die Physiker dem Streulicht auf die Spur kommen. Die Forscher sind zuversichtlich, diesen störenden Einfluss mit ihrem neuartigen Verfahren zu reduzieren und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit einer ersten direkten Messung der Gravitationswellen zu erhöhen.

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