GEO600 Very High Frequency
Der Detektor wird aufgerüstet, um einen neuen Teils des Gravitationswellenspektrums zu erforschen.
Der deutsch-britische Gravitationswellen-Detektor GEO600 in der Nähe von Hannover hat viele der Technologien getestet und entwickelt, die heute in den derzeitigen großen Detektoren für Gravitationswellen zum Einsatz kommen. Nun wollen die GEO600-Forschenden ihren Detektor ins nächste Level bringen. Ihr Ziel ist es, Gravitationswellen viel höherer Frequenzen zu suchen und unser Verständnis von dunkler Materie und dem frühen Universum zu vertiefen.
Gravitationswellen und Frequenzen

Gravitationswellen sind Vibrationen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie entstehen bei der beschleunigten Bewegung von Massen, beispielsweise wenn zwei Schwarze Löcher einander umrunden. Der Rhythmus dieser Bewegung bestimmt den Rhythmus oder die Frequenz der Gravitationswellen, die ins All abgestrahlt werden. Je schneller die Bahnbewegung ist, desto höher ist die Frequenz der Gravitationswellen.
Die derzeitigen Detektoren LIGO, Virgo und KAGRA beobachten Gravitationswellen in einem Frequenzbereich von 10 Hertz bis 6000 Hertz. Dabei misst die Einheit Hertz die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde. In diesem Bereich werden regelmäßig Verschmelzungen von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen beobachtet. Mehr als 90 bestätigte Signale und über 200 Signal-Kandidaten sind es bis heute. In diesem Frequenzbereich werden auch Signale von einzelnen, rotierenden Neutronensternen und explodierenden Sternen erwartet.
Physiker*innen vermuten, dass es in unserem Universum verschiedene Objekte gibt, die Gravitationswellen mit viel höheren Frequenzen – weit über einigen tausend Hertz – aussenden. Die Suche nach diesen Objekten und ihr Nachweis – oder auch ihr Nichtnachweis – werden unser Verständnis des Universums vertiefen.
Warum gibt es dieses GEO600-Upgrade?
Durch das GEO600-Upgrade, das den Detektor für Gravitationswellen bei sehr hohen Frequenzen (Hunderttausende bis Millionen Hertz) empfindlich macht wird ein neuer Teil des Gravitationswellen-Spektrums zugänglich. Die Frequenzen liegen weit über denen, die die derzeitigen Instrumente beobachten.
Bislang gab es keine Instrumente, die für diese hochfrequenten Wellen empfindlich waren. Dies ist ein Schritt in unbekanntes Terrain und in einen Bereich neuer Quellen von Gravitationswellen. Durch die Suche nach hochfrequenten Gravitationswellen wollen die GEO600-Forschenden Signale finden, nach denen bisher niemand suchen konnte.
Mit den Upgrades auf dem neuesten Stand der Forschung bleibt GEO600 ein Pionier der Gravitationswellen-Forschung.
Welche Upgrades werden bei GEO600 durchgeführt?

Bei GEO600 sind zwei wesentliche Upgrades erforderlich. Das eine betrifft die Quelle des Laserlichts, mit der die durch Gravitationswellen verursachten Längenänderungen gemessen werden. Das andere betrifft die Aufzeichnung und digitale Speicherung dieser Messungen.
Die Laserquelle bei GEO600, die als „Blaupause“ für die Lasersysteme anderer Gravitationswellen-Detektoren weltweit diente, wurde verbessert. Die Forschenden haben einen neuen Laser-Verstärker eingebaut, der für den Detektor bis zu 70 Watt Laserleistung bereitstellt und die Messgenauigkeit erhöht.
Außerdem wird das Datenerfassungssystem von GEO600 mit neuen Komponenten aufgerüstet. Diese werden die Messdaten 4 Millionen Mal pro Sekunde erfassen, um die Beobachtung von Gravitationswellen mit sehr hoher Frequenz zu ermöglichen.
Bisher wurden die Daten von GEO600 rund 16.000-mal pro Sekunde erfasst. Das wäre für die geplanten neuen Beobachtungen viel zu langsam.
Sind die Upgrades von außen sichtbar?
Für Besucher*innen des Detektorgeländes wird GEO600 während und nach dem Upgrade unverändert bleiben. Alle neuen Installationen werden innerhalb der bestehenden Detektorgebäude vorgenommen. Es sind keine neuen Gebäude oder andere bauliche Veränderungen erforderlich.

Welche neuen Arten von Gravitationswellen-Quellen könnte GEO600 nach dem Upgrade beobachten?
Nach unserem derzeitigen Verständnis enthält unser Universum fünfmal mehr dunkle Materie als normale Materie. Was diese allgegenwärtige, aber schwer fassbare Materieform ist, ist noch unbekannt. Eine mögliche Erklärung: sie besteht aus einem noch unbekannten Elementarteilchen.
Bestimmte Arten dieser dunklen Materie, sogenannte „ultraleichte Bosonen“, könnten Wolken um Schwarze Löcher bilden. In der Regel drehen sich Schwarze Löcher schnell um ihre Achse. Dadurch ist eine sehr große Energiemenge in ihrer Rotation gespeichert. Wolken aus ultraleichten Bosonen können dieses Energiereservoir anzapfen. Durch den Prozess der sogenannten „Superradianz Schwarzer Löcher“ können sie es in hochfrequente Gravitationswellen umwandeln.
Die von Bosonenwolken um rotierende Schwarze Löcher erzeugten Gravitationswellen würden sehr lange andauern. Ihre Frequenz hängt von der Masse der (unbekannten) ultraleichten Bosonen und von den Eigenschaften des Schwarzen Lochs ab, das sie umrunden. Die Suche nach hochfrequenten Gravitationswellen mit GEO600 wird sich auf Wolken konzentrieren, in denen die Bosonen Massen in einem bisher unerforschten Bereich haben.
Andere mögliche Quellen für hochfrequente Gravitationswellen sind
- Verschmelzungen von sehr leichten Schwarzen Löchern, die im frühen Universum entstanden sind und als „primordiale Schwarze Löcher“ bekannt sind, und
- Verschmelzungen von exotischen kompakten Objekten, die Neutronensternen und Schwarzen Löchern ähneln, aber aus noch unbekannten Elementarteilchen bestehen, und
- verschiedene Prozesse im frühen Universum.
Den Detektor stimmen
Gravitationswellen verändern die Helligkeit des Laserstrahls, der das Interferometer – das Herzstück der Detektoren – verlässt. Die Gesamtempfindlichkeit des Detektors für Gravitationswellen lässt sich erhöhen, indem diese Helligkeitsänderungen wieder in das Interferometer eingespeist werden. Dazu wird ein teilweise reflektiver Spiegel sehr präzise am Ausgang des Detektors platziert.
Diese „Signalüberhöhung“ genannte Methode lässt sich auch verwenden, um den Detektor zu „stimmen“. Dadurch erhöht sich seine Empfindlichkeit in einem bestimmten, vergleichsweise schmalen Frequenzband – ähnlich wie beim Einstellen eines bestimmten Senders an einem UKW-Radio. In Gravitationswellen-Detektoren wird dies durch mikroskopische Veränderungen der Position des teilweise reflektiven Spiegels erreicht. Das GEO600-Team hat damit Erfahrung: Es hat den Detektor bereits auf diese Weise betrieben, um die Empfindlichkeit für Gravitationswellen zu optimieren.
Die Abstimmung des Detektors auf Gravitationswellen einer bestimmten Frequenz hat ihren Preis. Das Instrument wird dadurch weniger empfindlich für Frequenzen außerhalb des Zielfrequenzbandes. Verändert man die Verstimmung aber wiederholt und beobachtet dann bei der Frequenz mit der optimalen Empfindlichkeit, ist es möglich, einen breiten Frequenzbereich mit einer Empfindlichkeit zu scannen, die sonst nicht erreichbar wäre.
Für die kontinuierlichen Gravitationswellen mit den sehr hohen Frequenzen, die GEO600 beobachten soll, spielt diese Verstimmung eine wichtige Rolle, um den breiten Bereich möglicher Signalfrequenzen und -typen zu erfassen.