Stabilster Hochleistungslaser der Welt kommt aus Hannover

Laser wird jetzt in Kalifornien auf Herz und Nieren getestet und künftig Herzstück des größten Gravitationswellendetektors der Welt sein

12. Oktober 2007

Die Testphase des weltweit stabilsten Hochleistungslasers – er wurde am Albert Einstein Institut (AEI) Hannover und dem LaserZentrum Hannover (LZH) entwickelt – ist abgeschlossen. Der erste Laser dieser Art wurde vor kurzem an das California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena/USA versendet und wird nun weiteren Tests unterzogen. Ab Ende des Jahres wird die Technologie dazu beitragen, die Empfindlichkeit der amerikanischen LIGO Observatorien erheblich zu verbessern: Die Anzahl der mit den LIGO Observatorien beobachtbaren potenziellen Gravitationswellenquellen wird sich dann um den Faktor 10 erhöhen.
Der neuartige Laser zeichnet sich durch eine extrem hohe Stabilität und Zuverlässigkeit sowie eine hohe Ausgangsleistung von 35 Watt aus. Er ist dieser Laser dreimal heller als die bisherigen Modelle und in der Lage, kleinste Längenänderungen, mit einer noch nie da gewesenen Präzision zu messen.

„Wir sind ausgesprochen stolz, dass dieses einmalig helle und stabile Laserlicht künftig das Herzstück der weltweit größten Gravitationswellendetektoren bilden wird. Unsere Laser werden maßgeblich dazu beitragen, die Empfindlichkeit der Detektoren deutlich zu verbessern. Wir werden dann noch viel weiter in unser Universum hineinhören können, als jemals zuvor“, so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor des AEI Hannover.

„Der unermüdliche Einsatz unserer deutschen Kollegen, ihr Ideenreichtum und ihre Präzision hat diese Entwicklung erst ermöglicht. Dank des neuen Lasers aus Hannover können wir die Empfindlichkeit der LIGO Detektoren nun um den Faktor 2 verbessern“, ergänzt Dr. Jay Marx, Direktor des LIGO Projektes.

Die Wissenschaftler des AEI sind seit langem eng in das amerikanische LIGO Projekt eingebunden. Sie betreiben außerdem zusammen mit britischen Kollegen aus Glasgow und Cardiff den Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe bei Hannover. Das GEO-Projekt genießt aufgrund seiner innovativen und zuverlässigen Technologien weltweit einen exzellenten Ruf und gilt als think tank für die internationale Gravitationswellenforschung. Die neue Lasertechnologie ist dafür ein Beispiel: Nachdem das GEO600 Lasersystem jahrelang zuverlässig und stabil gearbeitet hat, konnte auf der Grundlage dieser Erfahrungen der extrem stabile Laser mit seiner dreimal stärkeren Ausgangsleistung entwickelt werden. Ein Lasersystem Made in Hannover wird auch im französisch-italienischen VIRGO-Projekt eingesetzt und ist ebenfalls für die nächste Entwicklungsstufe Virgo+ vorgesehen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass diese Laser auch im japanischen LCGT Projekt (Large Cryogenic Gravitational Wave Telescope eingesetzt werden. Dann werden weltweit in allen Gravitationswellendetektoren Hannoveraner Laser arbeiten.

Die nächsten Schritte

Arbeitet der Laser, der jetzt am Caltech getestet wird wie erwartet fehlerfrei, werden zwei weitere Laser aus Hannover direkt zum Einbau in die LIGO Gravitationswellendetektoren nach Livingston/Louisiana und Hanford/Washington geschickt. Mit dem Einsatz der Hochleistungslaser wird sich die Empfindlichkeit dieser Detektoren entscheidend verbessern: Die Anzahl der beobachtbaren potentiellen Gravitationswellenquellen wird sich um den Faktor 10 erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit, erstmals direkt Gravitationswellen zu messen steigt damit so deutlich an, dass man vom Beginn des Zeitalters der Gravitationswellenastronomie sprechen kann.

Die Hannoveraner Wissenschaftler werden die Tests am Caltech begleiten. Ihre amerikanischen Kollegen konnten sich bereits in den letzten Monaten mit der neuen Technologie vor Ort in Hannover vertraut machen.

„Neues Licht“ aus Hannover auch für die nächste Generation der Gravitationswellendetektoren

Am amerikanischen LIGO-Projekt entschied man sich im Spätsommer 2006 für das „Neue Licht“ aus Hannover, das auch Herzstück der zukünftigen amerikanischen Detektoren-Generationen sein wird. Die Verantwortung dafür liegt weiter in den Händen der AEI-Wissenschaftler, was die weltweit führende Rolle der AEI/LZH-Gruppe in der Laserentwicklung unterstreicht.

Hintergrund

Die Zukunft der Gravitationswellenastronomie hat begonnen

Der direkte Nachweis der von Albert Einstein vorausgesagten Gravitationswellen – winzigen Verzerrungen der Raumzeit – gehört nach wie vor zu den wichtigsten offenen Fragen der modernen Wissenschaft. Ihre direkte Beobachtung wird die Ära der Gravitationswelleastronomie einläuten und vollkommen neue Einblicke in unser Universum ermöglichen. Mit Hilfe von Gravitationswellen wird man beispielsweise zurück bis in die erste Billionstel Sekunde des Universums sehen und viele Rätsel über die Entstehung des Universums lösen können. Bisherigen Beobachtungsmethoden blieben diese Einsichten verwehrt.

Die Beobachtung von Gravitationswellen hat, neben der Untermauerung der Allgemeinen Relativitätstheorie, weit reichende Auswirkungen: Erstmals wird es möglich sein, einen Blick in die „Kinderstube“ des Universums zu werfen. Die bisherigen Beobachtungen des Himmels beschränkten sich nämlich auf das elektromagnetische Spektrum (z.B. Radio- und Röntgenteleskope sowie Beobachtungen sichtbaren Lichtes). Die Informationen, die uns damit über die Entstehung des Universums zugänglich sind, reichen nur bis maximal 380.000 Jahren nach dem Urknall zurück. Weiter zurück liegende Zeiten bleiben der Beobachtung bislang verborgen, da das Universum erst zu diesem Zeitpunkt an transparent für elektromagnetische Strahlungen wurde. Die verschiedenen Theorien zum früheren Universum sind somit bislang experimentell unbestätigt. Die direkte Messung von Gravitationswellen eröffnet hier vollkommen neue Möglichkeiten, da nun vermutlich bis zu der ersten Billionstel der ersten Sekunde die dem Urknall gefolgt ist, hineingehört werden kann. Mit der Gravitationsastronomie werden wir Zugang zu völlig neuen Wissenschaftsgebieten erhalten.

Gravitationswellenmessung – die Herausforderung

Für die direkte Messung von Gravitationswellen sind hochstabile Laser erforderlich, weil nur sie in der Lage sind, extrem kleine Veränderungen in der Raumlänge aufzuspüren, die den Durchgang einer Gravitationswelle anzeigen.

Mit Gravitationswellendetektoren der ersten Generation, z.B. dem deutsch-britische Projekt GEO600 in Ruthe bei Hannover, können Längenänderungen einer Messstrecke auf 10-19 m genau gemessen werden – diese Größe ist vergleichbar mit einem 10.000stel des Durchmessers eines Protons. Mit einer solchen Messgenauigkeit können Neutronensterne bis zu einer Entfernung von 40 Millionen Lichtjahre von der Erde aus beobachtet werden. Der so zugängliche Teil des Universums umfasst mehre Dutzend Galaxien.

Ziel der Wissenschaftler ist jedoch, noch präziser zu werden, immer kleinere Längenänderungen zu messen und somit immer tiefer in das Universum hineinzuhören. Mit zunehmender Präzision wird der direkte Nachweis von Gravitationswellen einfacher, denn je tiefer man in das Universum vordringen kann, umso mehr potenzielle Gravitationswellenquellen können erfasst werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine höhere Präzision ist mehr Licht – und zwar hochstabiles Licht. Stabilität bedeutet in diesem Fall, dass sich der Laser weder in seiner Intensität (Helligkeit) noch in seiner Frequenz (Farbe) verändern darf. Die Stabilitätsanforderungen beziehen sich dabei auf alle Laserparameter: Laserleistung, Laserfrequenz (Wellenlänge oder Farbe des Lichts), räumliches Strahlenprofil (Abweichung des Laserstrahls von einer kreisförmigen Leistungsverteilung) und natürlich die Verlässlichkeit und Wartungsfreundlichkeit.

In enger Zusammenarbeit der Wissenschaftler des AEI Hannover mit ihren Kollegen im LaserZentrum Hannover ist jetzt der Durchbruch gelungen: Es wurden erstmals Laser entwickelt, die stabil und hell genug sind, um die Anforderungen der 2. Generation von deutsch-britischen und amerikanischen Gravitationswellendetektoren (GEO-HighFrequency und Enhanced LIGO) sowie dem französisch-italienischen Virgo+-Projekt erfüllen zu können.

Die in Hannover entwickelten Laser sind auch für die 3. Generation der Gravitationswellendetektoren, wie z.B. Advanced LIGO, bestimmt. Mit ihnen wird man 10.000mal mehr Gravitationswellenquellen beobachten können als heute. Man wird unter anderem miteinander verschmelzende Neutronensterne „hören“ können, die eine Milliarde Lichtjahre entfernt sind.

Kooperation und Finanzierung

Die Entwicklung der Laser für die Gravitationswellendetektoren wird durch die Max-Planck-Gesellschaft und das Bundesland Niedersachsen über Mitteln aus der Volkswagen Stiftung finanziert. In diesem Rahmen wurde im Juli 2006 ein Forschungs- und Entwicklungsauftrag über 2.4 Mio Euro zwischen dem Hannoveraner Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) und dem LaserZentrum Hannover (LZH) unterzeichnet.

Die Aufgabe des LZH ist dabei, einen verlässlichen Laser mit einer Ausgangsleistung von 200 Watt zu entwickeln, der dann von den Wissenschaftlern des AEI stabilisiert und in die amerikanischen Gravitationswellendetektoren der nächsten Generation eingebaut wird. Aufgrund der neuesten Forschungsergebnisse ist das AEI in der Lage, die Leistungsschwankungen des Lasers auf einen Bruchteil von einem Milliardstel der Laserleistung zu reduzieren und damit die Quantengrenze der detektierbaren Leistung zu erreichen.
Partner des GEO600-Projektes sind das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam und Hannover, die Leibniz Universität Hannover sowie die britischen Universitäten in Cardiff und Glasgow. Finanziert wird GEO600 gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Volkswagen Stiftung sowie das britische Science & Technology Facilities Research Council.

Das AEI Hannover

Das AEI Hannover ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität Hannover, an dem experimentelle Gravitationswellenforschung betrieben wird. Dazu gehört sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung auf den Gebieten der Laserphysik, Interferometrie, Vibrationsisolation sowie der klassischen Optik und der Quantenoptik. Zusammen mit dem in Golm bei Potsdam angesiedelten theoretischen Teil des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik entstand in Deutschland ein international einzigartiges Forschungszentrum, das alle Aspekte der Gravitationsphysik abdeckt.

Gemeinsam mit britischen Forschungseinrichtungen betreibt das Zentrum für Gravitationsphysik in Ruthe bei Hannover den Gravitationswellendetektor GEO600. Die Wissenschaftler des Instituts sind außerdem federführend an LISA (Laser Interferometer Space Antenna), dem Gravitationswellendetektor im Weltall, beteiligt. Das gemeinsame Projekt von NASA und ESA soll ab 2018 Gravitationswellen im All messen und damit erstmals so tief ins Universum hinein „hören” können, wie niemals zuvor.

LIGO

Das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) besteht aus zwei weit von einander entfernt liegenden Installationen in den USA, die wie ein einziges Observatorium arbeiten: Im Nordwesten der USA, in Hanford im Bundesstaat Washington, arbeiten zwei Laser- Interferometer mit Armlängen von 2 und 4 Kilometern. Ein weiteres 4-Kilometer-Interferometer befindet sich in Livingston/Louisiana.

LIGO wird durch die National Science Foundation (NSF) finanziert. Entwickelt und gebaut wurde es von Wissenschaftlerteams des Caltech und des MIT (Massachusetts Institute of Technology). Außerdem waren die Universität von Florida und Partner aus der Industrie beteiligt. Die Bauarbeiten wurden1999 beendet, nach Einbau, Test und Optimierung der Technologie startete die erste langfristig angelegte Datennahme im Herbst 2005.

Virgo

Der Virgo Detektor mit seinen 3km langen Armen wurde Juni 2003 fertig gestellt. Die erste Messreihe startete am 18. Mai 2007. Eine Aufrüstung des Detektors ist für 2008 geplant. Virgo wird durch das italienische Instituto Nazionale die Fisica Nucleare (INFN) und dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) durch das EGO Consortium finanziert.

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