Perfekter Siliziumspiegel für Messung am Quantenlimit

28. Mai 2010

Wissenschaftler aus Hannover und Jena haben eine neue Methode entwickelt, die einen Siliziumkristall zum perfekten Spiegel macht: Sie haben in seine Oberfläche ein speziell strukturiertes Nano-Gitter geätzt. Eine derartige Oberflächenstruktur reflektiert das Laserlicht vollständig – ein Effekt, der bislang nur durch Bedampfen mit einem spiegelnden Schichtsystem erzielt werden konnte. Die neue Methode gilt als äußerst vielversprechend für Hochpräzisionsmessungen auf den Gebieten der Quantenmechanik und der Gravitationswellenforschung. Die Ergebnisse der Forscher wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift Physical Review Letters, Nr. 104, veröffentlicht.

Für hoch präzise Experimente insbesondere in der Quantenoptik und Gravitationswellenforschung werden optische Spiegel benötigt, die Licht möglichst effizient reflektieren. Um die erforderliche hohe Reflektivität zu erreichen, wird herkömmlich ein geschliffener Kristall oder poliertes Quarzglas mit mehreren Schichten optisch unterschiedlicher Materialien bedampft (mit einem sog. „Coating“). Der Nachteil dieser Methode: Das Beschichtungsmaterial weist eine besonders starke Brownsche Bewegung (Wärmebewegung der Teilchen in der Beschichtung) auf. Daher wird bei einer Messung dem eigentlichen Signal ein thermisches Hintergrundrauschen überlagert, das die Messgenauigkeit einschränkt.

Mit dem Ziel, das störende Rauschen auszuschalten, haben Daniel Friedrich und Frank Brückner in den Arbeitsgruppen von Prof. Roman Schnabel (Institut für Gravitationsphysik, Exzellenzcluster QUEST, Leibniz Universität Hannover und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Hannover) und Prof. Andreas Tünnermann (Institut für Angewandte Physik, Friedrich-Schiller-Universität Jena und Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik, Jena), eine neue Methode angewendet: In die Oberfläche eines Siliziumkristalls haben sie ein Nano-Gitter eingraviert. Diese Gitterstruktur fungiert für Licht einer bestimmten Wellenlänge, in diesem Fall Infrarotstrahlung bei 1550 nm, als resonanter Wellenleiter: Senkrecht einfallendes Licht wird durch die Gittergeometrie in mehrere Teilstrahlen gebeugt, die sich anschließend überlagern („Interferenz“). Bei dieser besonderen Oberflächenstruktur tritt konstruktive Interferenz jedoch nur in Rückwärtsrichtung auf. Lichtstrahlen, die in anderen Richtungen verlaufen, löschen sich gegenseitig aus. Summa summarum führt dies praktisch zu einer perfekten Reflexion. „Das ist ein ganz ähnlicher Effekt, wie er von bestimmten Schmetterlingsarten bekannt ist. So schillern die Flügel der Morpho-Schmetterlinge deshalb so glänzend blau, weil ihre Flügeloberfläche ebenfalls mit einer periodischen Nano-Struktur versehen ist, die bestimmte Farben des einfallenden Lichts selektiv reflektiert“, erklärt Frank Brückner.

Die im Experiment erreichte Reflektivität beträgt exakt 99,8%, aber bis zu 100% sind theoretisch möglich. Glatt poliert würde ein Siliziumkristall die Infrarotstrahlung unter senkrechtem Einfall nur bis zu 30% reflektieren. Damit ersetzt das Nano-Gitter die Beschichtung mit Materialien unterschiedlicher Brechungsindizes.

„Mit dem Verzicht auf die optischen Beschichtungen sollte auch das durch das Coating bedingte thermische Rauschen verschwinden. Bei Messprozessen am Quantenlimit zählt dieses Rauschen zu den wichtigsten Störquellen und setzt die Empfindlichkeit der Messung deutlich herab“, so Daniel Friedrich. „Von der als Spiegel wirkenden Nano-Gitterstruktur auf Kristalloberflächen erwarten wir eine ganz neue Qualität bei Hochpräzisionsmessungen in verschiedenen Bereichen.“

Die Arbeit wurde am 23. April 2010 im Fachjournal Physical Review Letters, Ausgabe 104, veröffentlicht und ist im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs TR7 „Gravitationswellenastronomie“ entstanden. Den Artikel „Realization of a monolithic high-reflectivity cavity mirror from a single silicon crystal“ von F. Brückner, D. Friedrich et al. finden Sie unter: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v104/i16/e163903

Hintergrundinformationen

Die neuartige Technik der Oberflächenbearbeitung lässt sich prinzipiell auch auf andere in der Optik verwendete Kristalle übertragen, und funktioniert bei entsprechender Wahl der Strukturgrößen auch mit sichtbarem Licht. Im vorliegenden Fall hatten die Wissenschaftler Silizium und infrarotes Laserlicht der Wellenlänge 1550 nm gewählt, da diese Parameter gute Kandidaten für zukünftige Interferometer in den erdgebundenen Gravitationswellendetektoren sind. Ein Großteil der Technologien, die heute weltweit in Gravitationswellendetektoren eingesetzt werden, sind am Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe bei Hannover entwickelt worden. Die Herstellung des nano-strukturierten Siliziumspiegels erfolgte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sein Design und seine Charakterisierung in enger Zusammenarbeit mit den hannoverschen Arbeitsgruppen, die an GEO600 arbeiten. Der Erfolg dieser Kooperation belegt erneut die Rolle von GEO600 als einzigartigem Think Tank der internationalen Gravitationswellenforschung.

Der Siliziumspiegel im Test

Nun gilt es nachzuweisen, dass das thermische Rauschen durch die speziell bearbeitete Kristalloberfläche tatsächlich ausreichend eingedämmt werden kann. Um dies zu prüfen bauen die Wissenschaftler ihren neuartigen Siliziumspiegel demnächst in ein hochempfindliches, 10 m großes Interferometer ein, das an der Universität Glasgow betrieben wird. Messungen sollen zeigen, dass mit den neuen Spiegeln die Interferometerempfindlichkeit noch gesteigert wird. Anschließend soll die neue Technik auch bei den großen, mehrere Kilogramm schweren Spiegeln im Gravitationswellendetektor GEO600 zum Einsatz kommen. Die neue Technologie lässt sich aber auch zum „Verspiegeln“ winziger Schwingkristalle einsetzen. Bei kalten Temperaturen könnte dann die Brownsche Bewegung so stark reduziert werden, dass man hofft, die durch Heisenbergs Unschärferelation beschriebene quantenmechanische Ortsunschärfe des Schwingkristalls direkt mit Laserlicht beobachten zu können. Neben Anwendungen der neuartigen Optik in der Grundlagenforschung sind diese Spiegel auch interessant bei der Kontrolle von Hochleistungslasern für die Lasermaterialbearbeitung.

Sonderforschungsbereich Transregio 7 – „Gravitationswellenastronomie: Methoden – Quellen – Beobachtung“

Der Sonderforschungsbereich/Transregio 7 (SFB/TR 7) zur Gravitationswellenforschung wurde im Jahr 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichtet. Folgende Institutionen sind an diesem SFB/TR 7 beteiligt: das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Golm und Hannover, das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, die Leibniz Universität Hannover, die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Eberhard Karls Universität Tübingen. Der SFB/TR 7 ist der theoretischen und experimentellen Astrophysik auf dem Gebiet der Gravitationswellenforschung gewidmet. Bei der Untersuchung der Feldgleichungen der Gravitation steht die Entwicklung neuer mathematischer Methoden im Vordergrund. Damit soll die Struktur und Dynamik kompakter astrophysikalischer Objekte wie Neutronensterne, Schwarze Löcher, Binärsysteme und kollabierende Materie untersucht und deren Emission von Gravitationswellen berechnet werden.

Im experimentellen Bereich werden in dieser Kollaboration Design, Darstellung und Anwendung von effektiven Reflexionsoptiken zur Strahlteilung und Strahlsuperposition in unterschiedlichen Interferometertypen auf der Grundlage diffraktiver Strukturen untersucht, die mit Mikro- und Nanostrukturtechnik auf hochreflektierende Schichtsysteme aufgebracht wurden. Komplementär hierzu wird an der Nanostrukturierung der Kristalloberflächen selbst geforscht, deren optische Eigenschaften vergleichbar mit den Schichtsystemen sind. Für Gravitationswellendetektoren der zweiten und dritten Generation wird durch den Einsatz neuer Interferometer-Topologien (Signal-Recycling, Resonant-Sideband-Extraction, aktive Schwingungsisolation, Kühlung, QND-Techniken, optimierte Spiegelsysteme) die Einflussmöglichkeit auf die Empfindlichkeitskurve von Gravitationswellendetektoren noch wesentlich zunehmen.

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