Einstein-Teleskop ET in die Planung für Europäische Forschungsinfrastrukturen aufgenommen
basierend auf einer Pressemitteilung von INFN/Nikhef
ET, das geplante europäische Gravitationswellenobservatorium der dritten Generation, hat einen Meilenstein erreicht: Das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) hat jetzt beschlossen, das Einstein-Teleskop ET in die aktualisierte Fassung seiner Roadmap 2021 aufzunehmen. Diese Entscheidung unterstreicht ETs Bedeutung für die europäische Forschungslandschaft und die weltweite Gravitationswellenforschung.
Die ET-Koordinatoren des Forschungsinfrastruktur-Konsortiums, Antonio Zoccoli vom INFN (Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, Italien) und Stan Bentvelsen vom Nikhef (Dutch National Institute for Subatomic Physics), begrüßen das Ergebnis.
„Wir freuen uns sehr über dieses wichtige Ergebnis: Das Strategieforum hat das Potenzial des Projektes bestätigt und stärkt ET auf europäischer Ebene“, sagt Zoccoli. „Wir werden das Projekt gemeinsam entwickeln, denn so können wir unser Wissen über das Universum erweitern, technologische Innovationen und soziales Wachstum zu fördern.“
„Der ESFRI-Status ist ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung dieses europäischen Projekts“, sagt Bentvelsen. „Wissenschaftlich ist das Einstein-Teleskop unbestritten, und mit dem ESFRI-Status gibt es eine unverzichtbare anerkannte Unterstützung für seine Qualität und Bedeutung. Wir freuen uns darauf, die Pläne gemeinsam mit allen beteiligten Ländern weiterzuentwickeln.“
„Erarbeitet wurde der Antrag über einen Zeitraum von zwei Jahren von Forschungseinrichtungen und Universitäten aus zehn europäischen Ländern. Sie verfügen über echte interdisziplinäre Kompetenzen und bilden jetzt das Einstein-Teleskop-Konsortium“, sagt Michele Punturo, Koordinator der ET-ESFRI-Antragsvorbereitung. Eingereicht wurde der Antrag im September 2020 von der italienischen Regierung, unterstützt von den Niederlanden, Belgien, Polen und Spanien.
„Diese positive Entscheidung ermöglicht es den europäischen Gravitationswellenforschenden nun, die detaillierten Planungen und die Standortentscheidung zügig voranzutreiben. Ich freue mich sehr auf ET, da es ein integraler Bestandteil des aufstrebenden Feldes der Multi-Messenger-Astronomie sein wird“, sagt Harald Lück von der Leibniz Universität Hannover und dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI).
„Dies ist eine gute Nachricht für die stetig wachsende deutsche ET-Community. Wir sind gut darauf vorbereitet, die für ET erforderlichen Technologien weiterzuentwickeln und ET zu realisieren. Viele dieser Technologien wird man auch jenseits der Grundlagenforschung anwenden können. Sie haben das Zeug, in den kommenden Jahre Innovationen zu beflügeln“, sagt Achim Stahl von der RWTH Aachen.
Das Einstein-Teleskop wurde in einem sorgfältigen Evaluierungs- und Auswahlprozess bestätigt. Während der ESFRI-Versammlung stimmten die Delegierten schließlich für die Aufnahme des Einstein-Teleskops in die ESFRI-Roadmap.
Diese offizielle europäische Zustimmung bringt das Projekt in eine neue Phase. Die beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen aus zehn Ländern (Belgien, Deutschland, Ungarn, Italien, Norwegen, Spanien, Schweiz, Polen, Niederlande, Großbritannien) können nun ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit für ET intensivieren. Unter anderem werden die geologischen Untersuchungen an den für ET infrage kommenden Standorten weiter vorangetrieben um zu klären, ob sie für die unterirdische Infrastruktur von ET geeignet sind.
Ein neues Fenster zum Universum
Das Einstein-Teleskop ET ist ein künftiges europäisches Gravitationswellen-Observatorium der dritten Generation. Et wird rund 10-mal empfindlicher sein, als die heutigen Instrumente und den Forschenden einen Blick in bisher unzugängliche Regionen des Universums ermöglichen.
Gravitationswellen wurden zum ersten Mal 2015 nachgewiesen. Seitdem ist es möglich, das Universum auf eine vollkommen neue Art zu erforschen. Bis zur ersten direkten Messung von Gravitationswellen konnten Wissenschaftler*innen das Universum nur durch die Betrachtung von Licht oder Strahlung studieren, mit Gravitationswellen hingegen können sie Schwingungen der Raumzeit selbst beobachten. Obwohl Albert Einstein die Existenz von Gravitationswellen bereits vor hundert Jahren vorhersagte, rechnete er nicht damit, dass es jemals möglich sein würde, sie nachzuweisen.
Doch mit den atemberaubenden technologischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts gelang es mit Gravitationswellendetektoren die erforderliche Empfindlichkeit und Präzision zu erreichen. Damit begann eine neue Ära in der Erforschung des Universums, die Ära der Gravitationswellen- und Multimessenger-Astronomie, und führte zum Nobelpreis für Physik im Jahr 2017. Das Einstein-Teleskop wird in Zukunft zu vielen weiteren unvorstellbaren Entdeckungen in diesem neuen Forschungsgebiet führen.
ESFRI und die ESFRI-Roadmap
ESFRI, das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen, ist ein strategisches Instrument zur Entwicklung der wissenschaftlichen Integration Europas und zur Stärkung der internationalen Sichtbarkeit. Die Aufgabe von ESFRI ist es, einen kohärenten und strategiegeleiteten Ansatz für die Politikgestaltung im Bereich der Forschungsinfrastrukturen in Europa zu unterstützen und multilaterale Initiativen zu erleichtern, die zu einer besseren Nutzung und Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen auf EU- und internationaler Ebene führen. Die Delegierten von ESFRI werden von den Forschungsministern der Mitglieds- und assoziierten Länder ernannt und umfassen auch einen Vertreter der Europäischen Kommission.
Die ESFRI-Roadmap identifiziert die vielversprechendsten europäischen Wissenschaftsstrukturen auf der Grundlage eines eingehenden Bewertungs- und Auswahlverfahrens und umfasst die ESFRI-Projekte, d.h. neue, im Aufbau befindliche Forschungsinfrastrukturen, und die ESFRI-Landmarks, d.h. bereits erfolgreich umgesetzte Forschungsinfrastrukturen. Alle bisherigen Aktualisierungen der ESFRI-Roadmap haben sich als sehr einflussreich erwiesen und eine strategische Orientierung für Investitionen der Mitgliedsstaaten und assoziierten Länder gegeben, auch über den Bereich der Forschungsinfrastrukturen hinaus.
ET in Deutschland
Deutschlands ET-Community wächst rasant. Es besteht ein breites Interesse an diesem einzigartigen Zukunftsprojekt - mittlerweile beteiligen sich zahlreiche Institute aus Physik, Geologie, Lasertechnik, Kristallographie, Maschinenbau und Informatik.
Vertreter von 17 Forschungseinrichtungen haben inzwischen eine enge Zusammenarbeit vereinbart - ein wichtiger Schritt, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Die deutsche ET-Community ist bereit, die Forschung für das Europäischen Gravitationswellenobservatorium ET voranzutreiben.
Die beteiligten Forschungseinrichtungen im Überblick: RWTH Aachen, Leibniz Institut für Kristallzüchtung (IKZ), Technische Universität Braunschweig (TUBS), Friedrich Alexander Universität Erlangen (FAU), Universität Hamburg (UHH), Leibniz Universität Hannover (LUH), Friedrich Schiller Universität Jena (FSU), Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Westfälische Wilhelms Universität Münster (WWU), Albert-Einstein-Institut (AEI), Fraunhofer Institut für Laser Technologie (ILT), Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF), Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie (IPT), Laser Zentrum Hannover (LZH), Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB), Universität Maastricht (UM), Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY).