Wertvolle Fracht auf hoher See

Hochleistungslaser aus Hannover unterwegs zu Gravitationswellendetektor in den Vereinigten Staaten

21. Dezember 2010

Die Suche nach Einsteins Gravitationswellen gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Dabei stelle man sich außerdem vor, dass die Nadel von ganz ähnlicher Natur ist wie das Heu selbst. Denn kosmische Gravitationswellen, winzige Erschütterungen von Raum und Zeit, sind schwer von irdischen Erschütterungen zu unterscheiden. So sind die Forscher auf effiziente Messinstrumente angewiesen, um ihre Nadeln, die Gravitationswellen, tatsächlich zu finden. Dafür bauen sie Gravitationswellendetektoren, die nach dem Prinzip der Laserinterferometrie funktionieren. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut Hannover, AEI) haben zusammen mit dem Laserzentrum Hannover e. V. (LZH) jüngst einen Hochleistungslaser entwickelt, der bei der nächsten Generation von Gravitationswellendetektoren zum Einsatz kommen wird. Dieser Laser ist nun auf der MSC Loretta unterwegs zu LIGO, einem dieser Detektoren in den USA.

Laserpointer blinken gewöhnlich rot oder grün auf – und zwar bei einer recht schwachen Leistung von weniger als 1 mW (Milliwatt). Laser dagegen, wie sie bislang in der Gravitationswellenastronomie Verwendung finden, verfügen über Leistungen von 10-50 Watt. Sie sind also etwa zehntausend mal heller als solche, die wir im Alltag benutzen. Zudem sind diese Lichtquellen für das menschliche Auge unsichtbar, denn sie arbeiten im infraroten Frequenzbereich. Gerade diese beiden Eigenschaften machen Hochleistungslaser besonders wertvoll für Forschungszwecke. Die optischen Systeme der Gravitationswelleninterferometer „sehen“ nämlich besonders scharf bei infraroten Wellenlängen. Außerdem: Je höher die Leistung eines Lasers ist, um so präziser messen die Detektoren.

Der neue Hochleistungslaser, den die Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Benno Willke vom AEI für diese Zwecke entwickelt haben, strahlt noch einmal um das rund Zehnfache stärker als seine Vorgänger. Er besitzt eine Leistung von 200 W bei einer Wellenlänge von 1064 nm und zeichnet sich durch bisher unerreichte Stabilität von Leistung und Frequenz aus. Damit ist er weltweit der erste seiner Art, den die Wissenschaftler in einen Gravitationswellendetektor einbauen werden.

Mehr Laserlicht für die neuen Detektoren

Angekommen in Livingston, USA, soll der Laser eine neue Ära bei den Gravitationswellendetektoren einleiten. „Hochleistungslaser dieser Art werden bei der neuen Generation von Gravitationswellendetektoren wie Advanced LIGO zum Einsatz kommen“, so Willke. „Damit lässt sich die Messempfindlichkeit dieser Detektoren noch einmal um einen Faktor 10 verbessern.“

„Damit wird auch die Wahrscheinlichkeit, Gravitationswellen direkt zu messen, in den nächsten Jahren deutlich steigen“, so Prof. Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Hannover, und Leiter des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.

Das Konzept für den Laser haben die Physiker in der Arbeitsgruppe um Benno Willke vom AEI und dem Laserzentrum Hannover e. V. in enger Kooperation erarbeitet. Der Laser selbst wurde am LZH entwickelt und gebaut. Die Wissenschaftler am AEI haben die Komponenten für die Stabilisierung des Lasers entwickelt und in den letzten Wochen getestet. Nun befinden sich Laser und Stabilisierungskomponenten, gut gepolstert und wasserdicht verpackt, in einem Container auf dem Frachter MSC Loretta und schaukeln ihrer Bestimmung entgegen.

Gravitationswellen

Gravitationswellen sind kleinste wellenartige Störungen der Raumzeit. Sie folgen aus den Annahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Albert Einstein vor nicht ganz einem Jahrhundert aufgestellt hat. Sie entstehen, wenn massereiche kosmische Objekte wie etwa Schwarze Löcher miteinander verschmelzen, wenn ein Stern sein Leben in einer Supernova- Explosion aushaucht oder zwei Pulsare sich eng umkreisen. Bisher gelang den Astronomen nur ihr indirekter Nachweis an Doppelpulsarsystemen. Ihre direkte Beobachtung steht noch aus. Schon heute können wir das Universum in vielen Wellenlängen beobachten: mit Hilfe von Teleskopen, die das Weltall im optischen, infraroten, Gamma- oder auch Röntgen-Bereich untersuchen. Dennoch sehen wir nur einen winzigen Ausschnitt, denn etwa 96% des Universums können wir mit unseren herkömmlichen Teleskopen nicht sehen. Mit der Gravitationswellenastronomie, die nicht nach elektromagnetischer Strahlung sucht, sondern nach Störungen in der Raumzeit, werden wir daher vollkommen neue Einblicke erhalten. Der direkte Nachweis von Gravitationswellen gehört daher zu den spannendsten Aufgaben der modernen Physik und ist Ziel einer weltweiten Kooperation.

Zur Redakteursansicht